Nur Mut zum Leuchtturm, bitte!
Kommunalpolitik kann konstruktiv sein und Stadtgestaltung gelingt am besten, wenn viele Perspektiven einfließen. Dass sich jetzt alle Fraktionen im Stadtrat gemeinsam mit der Verwaltung hinter das Haus der Neugier stellen, ist ein starkes Zeichen. Bei der Kommunikation des Projektes darf die Politik ruhig mutiger werden.
Ein Kommentar von Alexander Plitsch
„Das Projekt war schon zwei Mal scheintot“, bilanziert Linken-Planungspolitiker Marc Beus im Pressegespräch der Fraktionen nüchtern. Und er hat ja Recht. Die Idee, VHS, Stadtbibliothek plus X in einem Haus der Neugier zusammenzubringen, hat schon ein paar Aufs und Abs hinter sich.
Den Verantwortlichen im Stadtrat ist deshalb die Erleichterung anzumerken, dass sie jetzt eine Lösung gefunden haben, die sie einmütig weiter vorantreiben wollen. Abseits der Plädoyers, die alle Beteiligten für das Haus der Neugier im Haus Horten halten, gerät das Pressegespräch an manchen Stellen aber auch zum Eiertanz.
Das beginnt schon bei den Zahlen. Die Aachener Zeitung hat bereits vor der entscheidenden Ratssitzung vergangene Woche munter aus der nicht-öffentlichen Vorlage zitiert und dabei nicht an konkreten Daten und Zahlen gespart. Sehr zum Ärger von Politik und Verwaltung, die sich in ihrer Verhandlungsposition gegenüber dem Eigentümer geschwächt sehen.
Den Politiker*innen ist zudem anzumerken, dass sie mit Kritik am geplanten Großprojekt rechnen. „Hat Aachen etwa zu viel Geld?“ – solche Fragen via Social Media seien zu erwarten, sagt Carsten Schaadt, Fraktionssprecher der Grünen. „Aber was ist denn die Alternative?“, fragt er und erinnert an Trading-down-Effekte, Leerstand und die drohenden Kosten für den sanierungsbedürftigen Bushof.
Und so wagen die Fraktionssprecher*innen bei ihrer Beschreibung des Projektes einen schwierigen Spagat zwischen „unendlichem Potential“ und „wir müssen uns disziplinieren“ (beides Iris Lürken, CDU). Oder wie Carsten Schaadt es ausdrückt: „Träumen, aber in klaren Leitplanken.“
„Wir sprechen hier nicht über ein Leuchtturmprojekt“, betont SPD-Fraktionschef Michael Servos zum Ende des Pressegesprächs. Zurückgeblättert zum einleitenden Statement von Carsten Schaadt: „Das Haus der Neugier ist ein Leuchtturm der Transformation.“ Ja, was denn nun?
Die Vorsicht der Politiker*innen kann ich gut verstehen. Sie wollen den Eindruck vermeiden, mit dem Haus der Neugier werde ein reines Prestigeprojekt angepackt. Eine unnötige Großbaustelle, auf der Steuergeld verschwendet wird.
Andererseits steht Aachen nun mal – wie andere Städte auch – in vielen Bereichen vor tiefgreifenden Veränderungen, gerade in der Innenstadt. Mobilität, Einzelhandel, Energiewende, Wohnraum: Überall stehen die Zeichen auf Wandel.
Und das ist doch gut so. Wir wollen als Vorreiterstadt schnellstmöglich klimaneutral werden. Wir wollen als Hochschulstadt attraktiv für die Talente von morgen sein. Wir wollen, dass ältere Menschen und Familien mit Kindern sich hier genauso wohlfühlen wie internationale Fachkräfte.
Wenn sich alles um uns herum ändert, brauchen wir Menschen Orientierung. Und was bietet Orientierung? Leuchttürme.
Leuchttürme stehen nicht nur für das Herausragende, für imposante Größe. Sie stehen auch für Zuverlässigkeit, für Sicherheit, für Hoffnung.
Ich wünsche mir für die Entwicklung unserer Stadt solche Leuchtturmprojekte. Kleine, große und sehr große Projekte, die richtungsweisend sind für eine lebenswerte Zukunft in Aachen.
Zweifellos ist das Haus der Neugier ein solcher Leuchtturm. Hier werden Kernaufgaben der Stadt in Sachen Bildung an einem neuen Ort zusammengedacht und zusammengebracht – mit Potential für wirklich Neuartiges.
In diesem Sinne: Nur Mut zum Leuchtturm, bitte!