Wie konnte das passieren? Dem Mega-Erdbeben auf der Spur
Wie konnte es 2011 zur Katastrophe von Fukushima kommen und wie können wir geologische Prozesse besser verstehen, um langfristig Küsteninfrastruktur zu schützen? Diese Fragen rund um das Tōhoku-Erdbeben stehen im Fokus einer Expedition, an der ein Wissenschaftler der RWTH Aachen beteiligt ist.
Ein Beitrag der RWTH Aachen
Das Tōhoku-Beben ereignete sich am 3. März 2011 vor der japanischen Ostküste. Es gilt als das schwerste Beben seit Beginn der Aufzeichnungen in Japan. Mehr als 22.000 Menschen kamen ums Leben, 400.000 Gebäude sind teilweise oder vollständig eingestürzt. Der durch das Seebeben ausgelöste Tsunami führte zur Nuklearkatastrophe von Fukushima.
Piero Bellanova ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Neotektonik und Georisiken. Seit Anfang September hat er sein Büro an der Lochnerstraße in Aachen gegen das japanische Forschungsbohrschiff „Chikyu“ eingetauscht. Noch bis zum 20. Dezember ist er Teil eines internationalen Forschungsteams, das durch Tiefseebohrungen den Ursachen des großen Tōhoku-Erdbebens von 2011 auf den Grund geht.
Markante Veränderung an der Plattengrenze
Schon an Bord zu kommen, war für den Aachener Wissenschaftler ein großes Abenteuer: „Wir sind aus dem Helikopter an Deck gesprungen und haben direkt mit der Arbeit begonnen“, so Bellanova. Es ist die zweite Expedition in dieser Region. Nur 13 Monate nach dem großen Erdbeben, bei der Expedition IODP Expedition 343 „Japan Trench Fast Drilling Project“ (JFAST) 2012, bohrten die Forschenden durch die Plattengrenze. Der gewonnene Kern zeigte eine markante Veränderung an der Plattengrenze, einer Subduktionszone, bei der die Pazifische Platte unter der Eurasischen Platte abtaucht. Ein installiertes Temperaturobservatorium zeigte eine Signatur von Reibungswärme vom Erdbeben.
Das Ziel der jetzigen IODP-Expedition 405 ist es, zwölf Jahre nach der ersten IODP-Fahrt zum Japangraben, die Eigenschaften, Prozesse und Bedingungen innerhalb der Subduktionszonen zu ermitteln. Diese fördern ein starkes Abrutschen in den Gräben und können zur Entstehung großer Tsunamis beitragen. Während der Expedition werden physikalische Daten aus den Bohrlöchern aufgezeichnet, Kerne gewonnen und an Bord der Chikyu analysiert sowie Observatorien installiert.
Nicht alle der Forschenden werden die kompletten vier Monate auf der Chikyu leben und arbeiten, die Expedition ist in zwei Abschnitte geteilt. Die Forschenden haben eine definierte Rolle an Bord im so genannten Core-Flow und bei den anstehenden Untersuchungen und Analysen. Dr. Piero Bellanova gehört zum Sedimentologe/Lithologie-Team, das das Aussehen der Bohrkerne beschreibt, Sedimentstrukturen und Störungen identifiziert und Proben analysiert, um die Sedimentzusammensetzung und Lithologie zu bestimmen.
Gemeinsame Standards und eigene Forschungsfragen
Wie bei IODP-Expeditionen üblich, werden die Bohrkerne nach definierten Standards analysiert, gleiches gilt für die Daten, die dann für alle Expeditionsteilnehmenden und später der gesamten Wissenschaftsgemeinschaft verfügbar gemacht werden. Darüber hinaus verfolgen die Forschenden eigene Forschungsfragen, die sie anhand der gewonnenen Proben und Daten beantworten möchten. Dr. Bellanova wird sich in seiner Forschung nach der Expedition auf die Identifizierung vergangener Erdbebenereignisse ähnlich des 2011 Tohoku-oki Bebens konzentrieren. Dazu wurden zahlreiche Proben genommen, um paläoseismische Ereignislagen, wie Turbidite und sogenannte ‚Homogenites‘, mit sedimentologischen und biogeochemischen Analysemethoden an der RWTH Aachen zu charakterisieren und besser zu verstehen. Dies erlaubt ein besseres Verständnis von der paläoseismischen Aktivität des Japangrabens und eine Verbesserung der Schutzmaßnahmen.
Zurzeit befindet sich das Forschungsschiff vor der japanischen Ostküste auf der Höhe von Fukushima. „Wir haben jetzt fast einen Kilometer an Bohrkernen beschrieben und schon so viel gelernt“, beschreibt Bellanova den Forschungs-Alltag an Bord, „es ist einmalig und faszinierend, einen Blick durch den Akkretionskeil und durch die Plattengrenze der Subduktionszone zu bekommen und die Sedimentarchive voll von seismischen Ereignislagen, Störungen und Massentransporten zu erfassen.“
Die Expedition wird organisiert von der Japan Agency for Marine-Earth Science and Technology (JAMSTEC). Beteiligt sind 56 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus zehn Ländern, die in zwei Expeditionsphasen an Bord der Chikyu arbeiten werden. Mehr Infos gibt es auf der Expeditionswebseite.
Bild: Piero Bellanova