Gewalt gegen Frauen

✅ Am gefährlichsten ist es zuhause

28. November 2023

Gewalt gegen Frauen ist ein großes Problem unserer Gesellschaft, lokal wie global. Aktionen sollen dem Thema mehr Öffentlichkeit geben. Ein Bundesgesetz soll einen Rechtsanspruch auf Schutz und Beratung schaffen.

Von Alexander Plitsch

Jetmira B. heiratet 2020. Was als große Liebe beginnt, entpuppt sich bald als Leben voller Eifersucht und Gewalt. Mehrfach sucht Jetmira B. in den folgenden Jahren Zuflucht in einem Frauenhaus.

Anfang dieses Jahres wird eine Regelung getroffen, nach der die drei gemeinsamen Kinder alle zwei Wochen etwas Zeit mit dem Vater verbringen können. Am 20. Mai soll auf dem öffentlichen Parkplatz eines Baumarktes in Aachen die Übergabe eines Kindes stattfinden.

Doch der Ehemann bringt nicht das Kind mit zum Treffpunkt, sondern ein Küchenmesser. Jetmira B. stirbt an diesem Abend auf dem Parkplatz vor den Augen ihrer 18-jährigen Schwester. Zwanzig Messerstiche mit dem zwanzig Zentimeter langen Messer beenden das Leben der jungen Mutter.

Vor dem Landgericht Aachen hat der Ehemann inzwischen gestanden. Die Gewalttat. Den Mord. Den Femizid. Das Urteil wird in Kürze erwartet.

Nur 4 bis 13 Prozent der Taten werden angezeigt

Fast jeden dritten Tag stirbt in Deutschland eine Frau infolge von Gewalt des Partners oder Ex-Partners. Die Zahl der angezeigten Delikte häuslicher Gewalt stieg im Jahr 2022 um mehr als neun Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Dabei ist von einer sehr großen Dunkelziffer auszugehen, denn laut einer Studie der Hochschule Merseburg beträgt die Anzeigequote je nach Art der Tat nur zwischen 4 und 13 Prozent.

Entgegen vieler Vorurteile hat diese Gewalt gegen Frauen nichts mit Herkunft, Bildung oder Einkommen der Betroffenen zu tun. Studien zeigen, dass jede vierte Frau in ihrem Leben Gewalt durch den eigenen Partner erlebt.

50.000 demonstrieren in Rom

Laut einem Bericht der Vereinten Nationen sind im vergangenen Jahr 89.000 Frauen und Mädchen weltweit ermordet worden – so viele wie seit 20 Jahren nicht.

Gewalt gegen Frauen ist ein globales Problem. Um dies zu betonen und Maßnahmen einzufordern, sind auch in diesem Jahr am 25. November, dem Internationalen Tag zur Beendigung der Gewalt gegen Frauen, viele Menschen auf die Straße gegangen. In Madrid, Istanbul, Mexiko-Stadt und Santiago de Chile. Allein in Rom zogen rund 50.000 Menschen zum Kolosseum.

Auch in deutschen Städten gab es Demonstrationen und Aktionen. In Aachen zeigten mehrere Initiativen am Elisenbrunnen mit Info-Ständen Präsenz.

Unter dem Motto „Orange the world” macht eine UN-Kampagne seit 1991 auf Gewalt gegen Frauen aufmerksam. Bundesinnenministerin Nancy Faeser betonte die Wichtigkeit öffentlicher Kampagnen und Aktionen:

“Die Gewalt findet meist zuhause hinter verschlossenen Türen statt. Doch das Thema gehört in die Öffentlichkeit. Gewalt gegen Frauen ist keine Privatsache. Sie geht uns alle an.”

In Aachen haben das Gleichstellungsbüro der Stadt Aachen und mehrere Partner eine Idee umgesetzt, um an vielbesuchten Orten ein Statement gegen häusliche Gewalt zu setzen. Am Bushof, am Kaiserplatz, im Kennedypark und am Büchel ist jeweils eine neue Sitzbank in auffälligem Orange aufgestellt worden.

Nachdem in den vergangenen Jahren öffentliche Gebäude orange angestrahlt wurden, haben sich die Protagonistinnen in diesem Jahr für die auffälligen Bänke entschieden. „Diese Aktion ist durch die längere Verweildauer und die gute Sichtbarkeit im Stadtbild nachhaltiger und hoffentlich auch einprägsamer“, sagte Sabine Bausch, Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Aachen.

Die vier Bänke sind nicht nur Sitzgelegenheiten, sondern liefern auch Informationen und Kontaktdaten zu Hilfe bei häuslicher Gewalt.

Oberbürgermeisterin Sibylle Keupen (rechts), Gleichstellungsbeauftragte Sabine Bausch (3.v.l.) und Präsidentin des ZONTA e.V. Magret Lauscher (2.v.r.) haben gemeinsam mit städtischen Kolleginnen und Mitgliedern von ZONTA die Bank am Büchel vorgestellt. Foto: Stadt Aachen/Andreas Herrmann

Neben Anlaufstellen für betroffene Frauen gibt es in Aachen zwei Projekte, die auch die Täter einbeziehen: Unter dem Motto “Neue Wege gehen” können sich Paare beraten und begleiten lassen, um häusliche Gewalt gemeinsam zu beenden. Im Rahmen des Projektes wurden im vergangenen Jahr 43 Paare unterstützt, Wege für ein gewaltfreies Leben als Paar und Familie zu finden. “Täterarbeit ist Opferschutz”: Diesem Leitsatz folgend richtet sich das Projekt “Gewaltlos STARK” an Männer, die gegenüber Partnerinnen gewalttätig waren oder Sorge haben, gewalttätig zu werden.

In Deutschland gibt es etwa 6.800 Frauenhausplätze, weitere 14.000 fehlen, wenn man die Vorgaben der Istanbul-Konvention einhalten will. Mit einem Gewalthilfegesetz will Bundesfamilienministerin Lisa Paus das Thema noch in dieser Legislaturperiode angehen. Das Gesetz sieht vor, „dass wir erstmals in Deutschland einen Rechtsanspruch auf Schutz und Beratung bei geschlechtsspezifischer und häuslicher Gewalt einführen”, erklärte die Ministerin vergangene Woche bei einer Veranstaltung anlässlich des Internationalen Tages gegen Gewalt an Frauen.

Hier gibt es Hilfe:

Bundesweites Hilfetelefon “Gewalt gegen Frauen”: Rufnummer 116 016

Frauen helfen Frauen e.V. in Aachen: 0241 902416

Frauenhaus Aachen: 0241 470450